Es ist jetzt ca. 24 Jahre her, also fast ein Vierteljahrhundert, da hatte ich eine besondere Begegnung. Es war damals Liebe auf den ersten Blick. Ich wusste, es war etwas Besonderes. Eine Liebe, die mich nie wieder loslassen würde. Es waren diese tausend Bilder, die in diesem Moment in meinem Kopf entstanden sind. Diese vielen Ideen, die plötzlich überall auftauchten. Dieses Gefühl, dass jetzt alles möglich ist. Aber wer war denn jetzt diese große Liebe? Wer hatte mich von einem auf den anderen Augenblick so sehr in seinen Bann gezogen?
Im Grunde genommen war es sehr unspektakulär, auf einer Bastelmesse, auf einem Kram & Wühltisch. Aber ich fand dieses kleine Metallschild damals, wie heute, einfach so atemberaubend schön und ich wusste in diesem Moment, dass ich damit etwas ganz ganz besonderes machen werde. Mir war damals schon klar, dieses kleine Kunstwerk durfte nicht einfach nur für irgendetwas lapidares verbastelt werden. Nein, es musste etwas sein, das seiner würdig ist. Es musste etwas sein, bei dem einem der Atem stockt vor lauter Schönheit und Anmut.
Ich hatte viele Ideen. Eine kleine Holzkiste, ein kleines Ringbuch mit Bildern darin. Ein Fotoalbum, ein Bilderrahmen, etc. etc. Und so habe ich im Laufe der Jahre viele Ideen gehabt, die ich dann aber wieder verworfen habe, weil es nicht perfekt genug war. Es war nicht besonders genug. Ich hatte immer das Gefühl, dass es nicht reichen würde. Was, wenn ich dieses besondere Stück verarbeitet hätte und es wäre nicht perfekt geworden? Oder irgendwie doch nicht besonders? Also habe ich jede Idee wieder und wieder verworfen. Ich hatte ja schließlich nur diese eine Change.
Dieses kleine Schild lag jetzt also Woche für Woche, Monat für Monat und letzten Endes Jahr für Jahr auf meinem Schreibtisch. Irgendwann dann in der Schublade. Dann irgendwann sogar in einem Umzugskarton im Keller. Dann wieder auf meinem Schreibtisch, immer mit der subtilen Erinnerung daran, etwas perfektes erschaffen zu wollen. Und so begleitet mich dieses kleine Metallschild nun tatsächlich schon 24 Jahre lang. 24 Jahre, in denen es ungenutzt daliegt. 24 Jahre, in denen es mich daran erinnert, dass der Perfektionismus mich davon abgehalten hat, etwas zu erschaffen. Mein halbes Leben lang.
Vor was habe ich Angst, wenn es nicht perfekt ist?
Und vor allen Dingen, wen will ich denn eigentlich beeindrucken?
Ich glaube, dass jeder einzelne Punkt für sich genommen die Angst vor Ablehnung ist. Denn wenn man diese einzelnen Punkte mal ein wenig weiter denkt, führt all das zu vermeintlicher Ablehnung. Zumindest ist es die Angst davor.
Manchmal kann es helfen, wenn man sich in so einer Situation befindet, bei der man sich mit dem Perfektionismus mal wieder selber im Weg steht, die o.g. Dinge zu hinterfragen, sie aber auch ehrlich zu beantworten. Und wenn man dann z.B. zu dem Schluss kommt, nicht gut genug zu sein und dadurch abgelehnt zu werden, kann man sich einmal die Fragen stellen:
Ist das wirklich wahr, was ich mir da gerade erzähle?
Ist es wirklich wahr, dass ich Ablehnung von anderen Menschen dafür erfahre?
Und diese Antwort wird normalerweise immer Nein sein. Denn dein Wert hängt nicht davon ab, ob du etwas vermeintlich perfekt machst. Und dein Wert hat niemand festzulegen. Das kannst nur du selber tun.
Übrigens habe ich bis heute nicht DEN perfekten Platz für dieses kleine Metallschild gefunden. Denn es gibt ihn nicht. Er existiert nur in meiner Vorstellung. Mittlerweile habe ich das kleine Schild auf den Rahmen meiner sehr großen Pinnwand geklebt. Auf dieser Pinnwand habe ich Notizen und Skizzen für einige kreative Projekte. Also Projekte, die mir am Herzen liegen. Und somit schließt sich für mich der Kreis und ist gleichzeitig die Erinnerung daran, dass es nicht perfekt sein muss.
Ich war früher ein sehr großer Perfektionist.
Ich hatte immer folgenden Anspruch an mich selbst:
“Wenn ich etwas mache, dann mache ich es perfekt!”
Ich arbeite als 3D-Artist und erstelle 3D-Visualisierungen von z.B. Bars, Restaurants, Küchen usw. Früher habe ich wirklich jedes noch so kleine Detail ausgearbeitet. Selbst die Schrauben an den Fußleisten habe ich modelliert und dargestellt. Aber als wenn das noch nicht ausgereicht hätte, habe ich sogar die Schraubenköpfe verdreht. Jeden einzelnen. So wie es in der Realität eben auch ist. Wobei, früher, wo man noch Schlitzschrauben verwendet hat, da habe ich im echten Leben die Schraubenköpfe an den Fußleisten wirklich alle gleich ausgerichtet. Und ich muss zugeben, ich glaube, ich würde es heute auch noch machen. Aber weiter geht’s. Ich habe jede noch so kleine Kante von den 3D-Modellen abgerundet, weil in der Realität ja nun mal fast nichts perfekt scharfkantig ist.
Ganz ehrlich? Nichts. Nichts Positives zumindest. Denn, gesehen hat man es am Ende nicht. Ich hatte vielleicht ein ruhiges Gewissen, vermeintlich alles “richtig” gemacht zu haben, aber es hat einfach nur unfassbar viel Zeit gekostet. Und auch Probleme bereitet. Denn, wollte ich nachträglich ein 3D-Modell ändern, hatte aber schon sämtliche Kanten abgerundet, war das nahezu unmöglich. Und so habe ich irgendwann einmal, aus purem Zeitdruck heraus, festgestellt, dass das Endergebnis kein bisschen schlechter aussieht, wenn ich all diese unnötige Arbeit nicht dort reinstecke. Und nicht nur, dass ich sehr viel Arbeitszeit gespart habe, auch die anschließende Bildberechnung lief sehr sehr viel schneller ab. Früher waren die Computer noch nicht so leistungsfähig wie heute.
Durch diese Erkenntnis bin ich tatsächlich Schritt für Schritt, in sehr vielen Bereichen vom Perfektionismus weggekommen. Ich habe gelernt, dass es ausreicht, wenn ich mich auf die wichtigsten Dinge konzentriere. Es muss nicht alles vor Schönheit sterben. Es ist ausreichend, wenn etwas bestimmtes durch diese Bilder vermittelt wird. Nämlich ein Gefühl. Ich möchte dem Betrachter der Bilder ein gewisses Gefühl vermitteln. Eine Art Geborgenheit, eine Art Wohlfühlen. Und dafür ist es nicht wichtig, alles vermeintlich perfekt zu machen.
Ich bin ein Skizzenbuchliebhaber. Ich könnte mir jeden Tag 5 neue Skizzenbücher kaufen. Ich liebe diese Vorstellung davon, sie mit Ideen und Skizzen zu füllen. Mit kleinen Kunstwerken. Mit Bildern, die selbst der Mona Lisa ein Lächeln entlocken würden.
Die meisten meiner Skizzenbücher sind ziemlich leer. Verrückt, oder?
Warum aber ist das bloß so? Und die wichtigste Frage von allen:
Und ehrlich gesagt, darüber musste ich erst mal nachdenken und in mich hineinschauen.
Die Antwort war verblüffend:
Niemanden. Denn was ist ein Skizzenbuch genau genommen? Es ist einfach nur ein Werkzeug. Eine Aufzeichnung meiner Fortschritte. Ein Merkzettel meiner Gedanken und Geistesblitze. Es ist bloß ein Skizzenbuch und keine Kunstausstellung im Louvre.
Es ist, glaube ich, eher diese sexy Vorstellung von einem gefüllten Skizzenbuch mit den grandiosesten Kunstwerken, die aussehen, als wären sie mit irrer Leichtigkeit entstanden. Als hätte ich verträumt an einer Flussgabelung gesessen und geküsst von der Muse, das bunte Treiben der Natur direkt vor mir, für alle Ewigkeit in meinem sexy Reise-Skizzen-Tagebuch festgehalten.
Aber was passiert stattdessen? Nach drei Strichen (wenn überhaupt) ist Schluss, weil ich das Gefühl habe, es wird nix. Und oft hält mich diese falsche Vorstellung davon ab überhaupt etwas in dieses besondere Skizzenbuch zu Kritzeln.
Wenn ich es schaffe, den Kopf frei zu kriegen von falschen Ansprüchen und Vergleichen, dann klappt es. Dann fließt es einfach heraus. Es ist schwierig diese Momente zu erreichen und auch sie zu halten. Ich würde lügen wenn ich etwas anderes behaupten würde. Aber es wird immer besser. Und genau mit dieser anspruchslosen Einstellung und freiem Geist habe ich vor Jahren das Cover für mein erstes Kinderbuch (das ich immer noch schreibe) gezeichnet. Ohne es zu wollen.
Ich wollte damals einfach irgendetwas zeichnen, um es dann mit Aquarellfarben auszumalen, weil ich Lust hatte Aquarell zu erlernen. Allerdings hatte ich von Tuten und Blasen keine Ahnung. Und aktuell ist das auch immer noch so. Aber das macht mir nichts. Ich bin bis hierher erst mal in der Lage, ein Gefühl zu vermitteln. Der Rest kommt schon noch.
Und dieses Bild, mit allem was danach passiert ist, hat mich damals dazu gebracht, über den Perfektionismus intensiver nachzudenken und dieses Gefühl, ohne zu hohe oder sogar ganz ohne Ansprüche an eine Sache heran zu gehen.
Eine der absolut ersten Aufgaben dort ist es, seine eigene Hand zu zeichnen. Am Ende der Zeichenreise wird man das noch einmal tun, um zu sehen, wie sehr man sich entwickelt hat.
Meine eigene Hand zeichnen?? ICH? Nie im Leben. Das habe ich noch nie getan. Nicht mal ansatzweise etwas in diese Richtung. Das ist einfach nicht mein Ding. Aha. Echt nicht? Wer weiß? Die Aufgabe war nicht, sie perfekt zu zeichnen, sondern so gut man es kann. Zum aktuellen Zeitpunkt.
Und dann postet man dieses Bild. Na und das ist mal nen Schritt raus aus der Komfortzone!
Etwas unperfektes posten. Sich nackig machen. Vor fremden Menschen?
Krass.
Ja, krass. Das war es wirklich. Aber vor allen Dingen weil ich bis dahin nicht wusste, was da in mir steckt. Ohne den LIVO Club hätte ich diese Art der Zeichnung in meinem Leben nicht gemacht. Niemals. Auch wenn ich den Perfektionismus in vielen Bereichen schon abgelegt habe, hat er mich in diesem Bereich allerdings bisher davon abgehalten, so etwas auch nur zu versuchen. Es konnte ja nicht perfekt werden. Viel zu viele Herausforderungen. Viel zu viele Dinge und Techniken, die ich doch gar nicht beherrsche. Ganz genau. Aber ich habe mich auf den Prozess eingelassen. Ich habe ja nichts zu verlieren. Am Ende ist diese Zeichnung natürlich nicht perfekt geworden. Aber für mich persönlich überaus beeindruckend.
Perfektionismus abzulegen ist ein Prozess, der Zeit braucht, aber mit bewusster Veränderung machbar ist.
Hier sind einige Wege, um ihn loszulassen:
Der Schlüssel liegt darin, Schritt für Schritt Perfektionismus durch eine gesunde Balance zu ersetzen. Jeder kleine Erfolg hilft, neue Muster zu etablieren! 🚀
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